Die Frau als Mensch 1 +Rezension+

Die Frau als Mensch: Am Anfang der Geschichte

Uli Lust nimmt und in Die Frau als Mensch mit auf eine Reise. Sie erzählt einzelne Episoden aus ihrer Gegenwart und Vergangenheit, doch werden wir uns überwiegend in der grauen Vorzeit aufhalten. Der Beginn der Menschheit, der Beginn der Kunst und damit lange bevor Männer anfingen unsere Geschichte zu deuten und damit auch oftmals fehlzudeuten. In diesem Comic kommen daher vorwiegend Wissenschaftlerinnen zu Wort.

„Auf hundert Frauendarstellungen kam also eine männliche? Wie erklären sie sich dieses Missverhältnis?“
„Nun, das erklärt sich aus der Tatsache, dass Männer wichtiger waren als Frauen.“

Die Frau, der Körper

Als sie sechs Jahre alt war, sieht Uli Lust zum ersten Mal einen Penis. Ihr Cousin will angeben, wie er pinkeln kann. Sie befindet das Ding zwischen seinen Beinen jedoch als störend und hat Penismitleid. Als sie mit ihrer Mutter über ihre Lulu spricht, ist dieser das nicht recht. Eigentlich soll sie gar nicht darüber reden oder wenn Scheide oder Scharm sagen. Sie merkt also früh, wie unterschiedlich die Geschlechtsorgane von Frauen und Männer in der Gesellschaft sind. Gleichzeitig ist sie „das Mensch“ im alten österreichischen Dialekt bedeutet es das Mädchen, doch mit kurzen Haaren sind die alten Frauen verunsichert, ob sie Männlein oder Weiblein ist.

Somit stellen sich ihr einige Fragen: Warum ist das generische Maskulin normal? Warum sind die altgriechischen Statuen so unterschiedlich? Männer stellen sich stolz zur Schau und Frauen kauern und bedecken sich. Doch da sind noch andere Figuren im Museum und diese setzt sie als Übergang, wie ein kleines gallisches Dorf in Szene. 30.000 Jahre lang gab es fast ausschließlich Frauenfiguren in der Kunst, diese standen stolz aufrecht, erst ab dem Jahre 0 kamen Männerfiguren in Mode. Doch womit beschäftigen sich die Wissenschaftler? Genau mit dem verschwindet kleinen Prozentsatz an Männerfiguren und die oft „üppigen“ Frauenfiguren.

Die nächsten Verwanten

Inzwischen ist es wissenschaftlich belegt, dass nicht Konflikte, sondern Empathie der treibende Faktor in der Evolution war. Schimpansen und Bonobos sind die nächsten tierischen Verwandten der Menschen. Vorwiegend wurde auf die Strukturen und das Verhalten von Schimpansen geschaut in der Forschung. Sie sind aggressiv und werden von Männchen dominiert. Bonobos sind jedoch friedfertig, kooperativ und wenn es so etwas wie eine Führungsstruktur gibt, dann steht ein Weibchen an oberster Stelle. Es gibt nur noch wenige Jäger und Sammler auf diesem Planeten, selbst die Buschleute in Botswana wurden in die „Zivilisation“ gedrängt. Doch zuvor wurde bei ihnen die Kooperation, Gleichstellung und Konflikte friedlich zu lösen, beobachtet. Das Sozialleben würde sich hier mehr mit den Bonobos vergleichen.

Ausgehend von den Erkenntnissen der Jetztzeit, geht es zurück in die Vergangenheit. Viel berichtet Uli Lust über die Ausbreitung der Menschen, als die begannen sich auf der Erde zu verteilen. Doch danach legt sie wieder den Fokus auf die Frauen. Die Farbe Rot wurde häufig genutzt, sie beschäftigt sich viel mit der Kunst aus der Vorzeit und die Rollen von Geschlechtern. Eine Person, der besondere Bestattungsriten zuteilwurde, wurde beim Fund als Mann eingestuft und die Vermutung hier eine Art spirituellen Führer zu haben. Neuste Erkenntnisse zeigen, dass die Person non-binär war und dies bestätigt die These hier eine Art Schaman:in. Sie betrachtet Riten und insbesondere die zur ersten Menstruation und stellt fundierte Spekulationen an.

Das ist natürlich bei weitem nicht alles. Denn in diesem Comic steckt so viel und noch lange nicht alles über das Uli Lust zu diesem Thema berichten möchte. Die häufigen Fehlinterpretationen werden aufgezeigt und korrigiert, aber es werden auch Gegenthesen aufgestellt. Eine Welt, die Männer in den Mittelpunkt stellt und ihm und Frauen unterschiedliche Rollen gibt, weil es „schon immer so war“ wird hier wissenschaftlich aus den Angeln gehoben. Geschlechterklischees nehmt euch vor der Wissenschaft in acht, die euch von den Rollen in der Steinzeit berichtet.

Die Frau als Mensch 1 ist unglaublich spannend, informativ und gibt mir das Gefühl, die Welt möglichst objektiv zu sehen und Fehlinterpretationen der Wissenschaft zu korrigieren. Eine dringende Leseempfehlung.

Die Frau als Mensch 1 ...

… ist umfangreich, aber sehr unterhaltsam aufgearbeitet.
… tut manchmal beim Lesen ein bisschen weh, wie auf die Geschichte geblickt wurde.
… hat eine großartige optische Aufarbeitung und stellt die Bilder in einen Kontext..

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Die Frau als Mensch 1

Szenario und Zeichnungen: Uli Lust
Hardcover mit 256 Seiten
ISBN: 978-3-95640-445-0
Erschienen im Februar 2025
bei Reprodukt

Der Comic wurde mir als kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung ist dadurch nicht beeinflusst.

Fantastische Frauen aus jüngerer Vergangenheit:
Alice Guy
Mary Shelley
Marie Curie – A Life of Discovery
Die Philosophin, der Hund und die Hochzeit
Radium Girls – Ihr Kampf um Gerechtigkeit

© Reprodukt

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Ab 01:44:08 könnt ihr uns zuhören, wie wir über den Comic sprechen.

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