Effigie – Das Gift und die Stadt +Film+
Wenn die Giftmörderin dich nicht loslässt
Ein Comic, ein Sachbuch, ein Hörbuch, ein Theaterstück und nun ein Drehbuch. Peer Meter wird von Gesche Gottfried schon über zehn Jahre begleitet. Für den Comic Gift arbeitete er sich durch die Verhörprotokolle, daraus entstand viel mehr als der geplante Comic mit der markanten grafischen Umsetzung von Babara Yelin. Jetzt ist der Film Effigie – Das Gift und die Stadt auch endlich in Deutschland in den Kinos. Ich hatte Glück und habe Karten für die Premiere in Bremen gewonnen. Die Crew war da, um durch den Abend zu führen und nach der Vorstellung Rede und Antwort zu stehen. Neben Regisseur Udo Flohr waren unter anderen Suzan Anbeh (Gesche Gottfried), Elisa Thiemann (Cato Böhmer), Christoph Gottschalch (Senator Droste), Dieter Herrmann (Nachtwächter), der auch als Nachtwächter zu Bremen Stadtführungen macht und Peer Meter (Drehbuch) dabei.
Effigie – Das Gift und die Stadt – Premiere in Bremen
Cato Böhmer tritt ihre neue Stelle als Protokollantin bei Untersuchungsrichter Senator Droste an. 1828 ist eine Frau in dieser Stellung höchst unüblich. Nach einer Anzeige, es wurden weiße Krümel auf Speck gefunden, werden Ermittlungen eingeleitet. Böhmer soll Verhöre in der Pelzerstraße zu Protokoll nehmen und trifft dort zum ersten Mal auf Gesche Gottfried. Während der Ermittlungen gegen die Giftmörderin gerät Droste unter Druck durch Kapitän Ehlers, der die Gelegenheit nutzen will, seine politischen Ziele durchzusetzen. Der erste Spatenstich für Bremerhaven ist in diesem Jahr erfolgt und Droste will eine Eisenbahnanbindung, die Ehlers zugunsten des Schiffsverkehrs verhindern will.
Die Geschichte um Gesche Gottfried wurde für den Film fiktionalisiert und gestrafft, doch bleiben einige Passagen aus ihren Vernehmungsprotokollen erhalten. Der damalige Protokollant wird durch die Protokollantin Cato Böhmer ersetzt, die deutlich tiefer in den Kriminalfall gezogen wird. Zusätzlich wurde ein fiktionaler Wirtschaftskrimi als Nebenhandlung verwoben. Im Film können die Rückstände auf dem Essen chemisch bestimmt werden, dieser Nachweis wurde aber erst einige Jahre nach Gesche Gottfrieds Hinrichtung entwickelt, berichtet Peer Meter im Anschluss an die Vorstellung.
Wie auch schon im Comic ist Gesche Gottfried hier keine kalte berechnende Mörderin. Es wird offensichtlich, dass hier eine Frau mit einer psychischen Störung gemordet hat. Welche genau, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, aber es wird durch das Filmteam ein Münchhausen Stellvertreter Syndrom angenommen. Zur Rolle von Cato Böhmer habe ich sehr leicht Zugang finden können, bei Gesche Gottfried fiel es mir schwerer, da sie im Film von den mir bisher bekannten Darstellungen abweicht. Je offensichtlicher ihr Gefühlschaos wurde, desto greifbarer wurde sie für mich. Die Drehorte und Kulissen erzeugten ein stimmiges historisches Bild. Effigie – Das Gift und die Stadt ist eine spannende Adaption der historischen Gegebenheiten und ein gelungenes psychologisches Bild von Gesche Gottfried. Ich war überrascht, die schnell die knapp 1,5 Stunden verflogen waren.
Zuschauerfragen
Nach der Aufführung brannten den Zuschauenden einige Fragen unter den Nägeln. Nur wenig wurde in Bremen gedreht, die meisten Sets wurden in einem alten Gutshaus in Mecklenburg eingerichtet. Das leerstehende Haus wurde vor dem Dreh durch die Szenenbildner wieder hergerichtet. Dies hat der NDR dokumentiert in einer Folge der Gutshausretter. Für den Wissenschaftsjournalisten Udo Flor war es sein erster Film, der bereits international einige Nominierungen und Preise sammeln konnte. Nun hat er bereits zwei weitere Filmprojekte in der Pipeline.
Nicht nur der Kopf von Gesche wurde tatsächlich in einem Museum ausgestellt (im Zweiten Weltkrieg zerstört), sondern auch die Aktenkopien sind wirklich in Umlauf gelangt. Senator Droste konnte seinerzeit noch im Theaterstück „Gesinde, die Teufelsbraut“ Falldetails erkennen, die geheim waren. Cato Böhmer dient im Film als eine Art Alter Ego von Gesche, beide sind in einer ähnlichen Situation, doch eine wurde von ihrem Vater unterstützt, die andere verheiratet.
Für Suzan Anbeh war es anfangs schwierig, sich in eine Frau zu versetzten, die unter anderem die eigenen Kinder ermordet hat. Je mehr Details ihr klar wurden, desto weniger hat sich Gesche verurteilt, sondern als kranke Frau angenommen. Daher wurde im Film auch der mutmaßliche Triggermoment von Gesche eingebaut, in dem sie eine Geschichte bezüglich ihres Vaters zu Protokoll gegeben hatte. Jahrelang wurde Gesche Gottfried als kalt und berechnend dargestellt, aus den Protokollen lässt sich ein anderes Bild der Bremer Giftmörderin lesen. Daher lädt Elisa Thiemann für den Folgetag ein, nicht auf den Spuckstein zu spucken, sondern mit ihr eine Kerze anzuzünden und weiße Blumen niederzulegen.
Udo Flohr erklärt die Wahl des Filmnamens. Effigie hat mehrere Bedeutungen, die alle auf diese Geschichte passen „Stellvertreter“, das vermutete Münchhausen Stellvertreter Syndrom, „Bildnis“, ein Film als Bildnis von Stadt, Zeit und Gesche, „Sündenbock“, da die Motive der Öffentlichkeit egal waren und jeder von der Sensationslust gepackt war und als letzter Grund, weil sich das Wort in andere Sprachen übertragen lässt.