Die unglaubliche Geschichte des Biers +Rezension+

Die unglaubliche Geschichte des Biers

Bier ist viel älter als ihr vielleicht denkt, etwa 5.000 Jahre älter als Wein. Dies ist nur ein Fakt aus dem Comic „Die unglaubliche Geschichte des Biers“, der uns in 15.000 Jahre Biergeschichte entführt. Von archäologischen Funden, einer weltweiten Tradition, bis zu riesigen Brauereien und kleinen Mikrobrauereien. Durch diese umfangreiche und spannende Geschichte führt uns Stella, die nach einer belgischen Brauerei benannt ist, hier aber als kleine Bierbrauerin über ihr Lieblingsgetränk berichtet.

Bier, Brot und Brauereien

Einst war Bier eigentlich nur eine vergorene oder fermentierte Getreidesuppe. Ein Grundnahrungsmittel, das in Teilen Deutschlands auch als Bier noch als dieses angesehen wird. Wir starten diese Geschichte in der prähistorischen Zeit und gehen auch auf die Ausbreitung und Entwicklung der Menschen ein, vergleichbar etwa mit anderen Wissens-Comics wie „Auf der Spur der Menschen vor 80.000 Jahren“ oder „Die Frau als Mensch“. Als roter Faden führt die Figur Stella durch das Buch, sie tritt dabei vor allem als reale Frau auf, manchmal macht sie sich Notizen zu wichtigen Etappen, aber sie taucht auch mal in der Rolle einer spritzigen „Bierfee“ im Chibi-Format auf.

Der Comic versteht es, sowohl wissenschaftliche Fakten als auch Mythen abzubilden. So finden wir uns ca. 4.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Uruk wieder und damit in alten Überlieferungen, die in Keilschrift verfasst wurden. Dazu gehört natürlich auch die älteste Geschichte der Welt, das Gilgamesch-Epos, aber auch Verweise auf Rezepte und gesellschaftliche Bedeutung des Biers. Gilgameschs bester Freund Enkidu wird in dem Epos von einer Priesterin der Biergöttin Inanna mit Bier und Brot erst von einem Wilden zu einem zivilisierten Menschen. Dies verdeutlicht, wie wichtig Bier in der damaligen Zeit war.

Ein weiteres Beispiel sind die frühesten bekannten Gesetze, die sich u.a. auf das Bierbrauen beziehen und dabei ausschließlich die Rolle weiblicher Brauerinnen betonen – ein Unterschied, der etwa zwischen Mesopotamien und asiatischen Hochkulturen markiert wird. Auch archäologische Entdeckungen, wie eine altägyptische Brauerei oder die legendäre Bierliebe der ägyptischen Göttin Sekhmet, finden ihren Platz.

In der antiken griechischen Kultur dominierte der Wein eindeutig als Hauptalkoholgetränk, insbesondere in den oberen Gesellschaftsschichten. Bier wurde dagegen meist als Getränk der ärmeren Bevölkerung betrachtet und erreichte nicht dieselbe gesellschaftliche Bedeutung wie der Wein. So galt der Wein nicht nur als alltägliches, sondern auch als kultisches und gesellschaftlich hoch angesehenes Getränk. Diese Weintradition setzte sich auch bei den Römern fort, die beim Bier eher an „barbarische“ Getränke dachten und es nicht mit der Elite in Verbindung brachten. Dennoch war Bier in verschiedenen Regionen, z.B. bei den Germanen oder Galliern, weiter verbreitet und keineswegs verschwunden. Doch durch die Griechen und Römer nur wenig zum Thema Bier dokumentiert.

Auf dem Weg zum modernen Bier

Im Verlauf der Geschichte nahm das Christentum einen wichtigen Einfluss: zwar verdrängte es das Bier nicht vollständig, aber im Mittelalter verschoben sich die Braukompetenzen oft hin zu Klöstern, wo Mönche und Nonnen das Bier brauten. So wurden Frauen zwar später in der Braukunst oft vergessen, tauchen aber weiterhin auf. So war es auch die Nonne und Gelehrte Hildegard von Bingen, die den Hopfen als Mittel zur Haltbarmachung und Transportfähigkeit des Bieres nutzte. Im späten Mittelalter etablierte sich mit dem Reinheitsgebot von 1447 durch die Hanse das älteste bekannte Lebensmittelschutzgesetz, das später ganz Deutschland übernahm und die Tradition des Bierbrauens formalisierte.

So viel Wissen und wir sind jetzt erst auf dem Weg zu Pils, Lager und Ale und den riesigen Konzernen, die Bier vereinheitlichten und die Craftbeer-Gegenbewegung, die es wieder vielfältiger werden ließ. Bei all dem Wissen wird der Comic jedoch nie langatmig. Ansprechende Zeichnungen, kurzweilige Aufarbeitung und relativ kurze Abschnitte, wodurch sich der Input nie überladen anfühlt. Wie auch schon in der Geschichte des Weins gibt es hier Anspielungen auf Asterix, denn auch Gallien hatte beim Bier seine Finger im Spiel.

Zu sagen, dass dieser Comic bierernst ist, wäre nur durch das schlechte Wortspiel zutreffend. Jedoch finde ich ihn nicht ganz so lustig umgesetzt, wie die Geschichte des Weins. Die vielen kleinen Referenzen, die Daniel Casanave in seine Umsetzung hat einfließen lassen, waren einfach umwerfend. Dadurch muss sich Lucas Landais an einer sehr hohen Vorgabe messen lassen und auch, wenn er diese nicht ganz erreicht, vermittelt seine Aufarbeitung und seine grafischen Darstellungen das Thema mit einer wunderbaren Leichtigkeit. Als Bonus findet sich hier nicht nur ein Glossar im Anhang, sondern auch eine Anleitung zum Brauen des eigenen Biers. Daher bleibt mir nur noch eines zu sagen: Prost!

Die unglaubliche Geschichte des Biers zeigt gesammeltes Wissen über die Bierkultur von der Steinzeit bis zur Antike und bis in unsere Jetztzeit.

Die unglaubliche Geschichte des Biers ...

… ist ein umfangreiches und leichtfüßiges Werk zum Kultgetränk.
… hat ein schönes und gut durchdachtes Artwork.
… ist erneut eine fantastische Aufarbeitung von Benoist Simmat.

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Die unglaubliche Geschichte des Biers

Von der Urzeit bis heute, 15.000 Jahre Abenteuer

Szenario: Benoist Simmat
Zeichnungen: Lucas Landais
Hardcover mit 224 Seiten
ISBN: 978-3-903478-29-9
Erschienen im Oktober 2024
bei Bahoe Books

Der Comic wurde mir als kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung ist dadurch nicht beeinflusst.

© Bahoe Books

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