Die Stimme der Kraken von Ray Nayler

Unsere Welt hat sich weiterentwickelt. Telefone sind nun multifunktionale Terminals, diverse Kriege haben dazu beigetragen, dass die Erde nun ein wenig anders aufgeteilt ist, die Meere sind quasi leer gefischt und sogar ein Android wurde geschaffen. In kleinen Schutzzonen, wie dem Archipel Con Dao, das zum Teil dem Technologieriesen DIANIMA gehört. Auf Con Dao gab es laut den Einheimischen ein Monster. Doch die Vermutung liegt nahe, dass es sich um Kopffüßler handelt, die sich an die neuen Lebensbedingungen angepasst haben.

Das Meer

Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Meer, es verbindet mit seinen Hafenstädten, dem Archipel und den Schiffen alle Handlungsorte dieses Buches. Es ist gespickt mit Zitaten aus den Büchern zweier Wissenschaftlerinnen, die eine Dr. Arnkatla Mínervudóttir-Chan hat „Die Mauern des Geistes“ geschrieben, in dem sie über den Geist des von ihr geschaffenen Andrioden schreibt. Die andere, Dr. Ha Nguyen, spürt in „Wie Meere denken“ nach, was es braucht, damit Oktopoden vielleicht eine Sprache und Kultur entwickeln. Nun arbeitet Ha zusammen mit dem Andrioden Evrim auf Con Dao und studiert die Kraken, die mutmaßlich miteinander kommunizieren können.

Durch die Jahre haben sich die Kulturen verschoben und vermischt. Vieles spielt sich hier im asiatischen Bereich ab, vieles fühlt sich dadurch ein wenig fremd an und die Namen sind ungewohnt. Das verleiht dem Setting jedoch etwas Besonderes, Außergewöhnliches. Zusätzlich zur Zukunftsvision, Umweltschäden und künstlichen Intelligenzen ist es irgendwie gewohnt und doch anders. Mit den wissenschaftlichen Ansätzen und Aspekten ist die Geschichte unglaublich interessant und intelligent.

In weiteren Handlungssträngen folgen wir einer Frau, die ehemalige Einwohner von Con Dao befragt, ohne sich selbst zu erkennen zu geben, einem Hacker, der sich in künstliche Intelligenzen hacken kann und beispielsweise Autonokrähne dazu bringt, ihre Lasten auf Menschen fallen zu lassen und einem Autonofischerboot, voller Sklaven und Wachpersonal, die illegal das letzte Protein aus den Meeren fischen. Allerdings sind Fische und andere Meereslebewesen außerhalb der Schutzgebiete kaum noch zu finden.

Sprache und Kultur

Während Ha und Evrim die Oktopoden an der Küste erforschen, ist es Altantsetseg, die als Sicherheitskraft dafür zuständig ist, die Grenzen des Schutzgebietes zu wahren. Doch sie ist ebenfalls diejenige, die Drohnen mit massivem Geschick steuert, um die Forschung voranzutreiben. So schaffen sie es, die Kommunikation zwischen den Tieren zu dokumentieren und sind damit beschäftigt, ihre Sprache zu entschlüsseln. Sprache, die auf der Erlebniswelt von jemanden oder etwas basiert, kann also ganz unterschiedlich sein. Es gibt eine Hörprobe zur Hörbuchversion von Die Stimme der Kraken, die mir geholfen hat Altantsetsegs Namen richtig auszusprechen. So viele Namen begegnen mir hier, die mir nicht so geläufig sind und mich bewusst in die Problematik der Sprache mit den Oktopoden drängen.

Wir erfahren viel über Ha und Evrim. Wie sie sind, wer sie sind. Sie teilen viel und Evrim wächst an diesen Konversationen. Für Altantsetseg ist es schwieriger, sie versucht sich abzugrenzen und nutzt dafür ihre ganz eigenen Mittel. Einige Wendungen im Buch bauen sich von langer Hand auf, sodass diese dann weniger überraschen, doch andere schaffen es zu überraschen. Durch die verschiedenen Schicksale und die Forschung bleibt die Spannung immer hoch, das Buch hat mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt, sondern gefesselt. Das waren nicht nur die Momente der Explosionen. Viele der Erkenntnisse in den Forschungsarbeiten sind auch in unserer Realität zutreffend und manche halten einem einen Spiegel vor.

Es ist absolut beeindruckend und spannend, was hier geschaffen wurde. Eine Mischung aus Neugier, Wissenschaft, Umweltschutz und politischen Verstrickungen. Differenzen und Andersartigkeit in Kombination mit Wissensdrang bilden einen fesselnden, intelligenten Thriller.

Die Stimme der Kraken

Szenario: Ray Nayler
Übersetzung: Benjamin Mildner
Hardcover mit 464 Seiten
ISBN: 978-3-608-50013-4
Erschienen am: 20.04.2024
beim Tropen Verlag

Das Buch wurde mir als kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung ist dadurch nicht beeinflusst.

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